Ein Schatz auf dem Dachboden


Eine Familie kaufte vor einigen Jahren ein Haus im Kurort Gohrisch in der Sächsischen Schweiz. Bei den Sanierungsarbeiten des von den Einwohnern als „Landhaus Gohrisch“ bezeichneten Hauses, machte der neue Hausherr einen Fund auf dem Dachboden. Ein Leinwandgemälde stand in mitten von Kisten und anderen alten Hausrat angelehnt in der Ecke des Dachbodens und wurde von einer etwas versetzt angelehnten Glasscheibe verdeckt.

Vorzustand und Detail der Signatur

Vorzustand und Detail der Signatur

Ein monumentales Blumenstillleben, gemalt mit einer akademischen Sicherheit und von einer geübten lockeren Hand, kam zum Vorschein. Randbereiche des Ölgemäldes, die nicht von der Glasscheibe geschützt waren, wiesen verkohlte Farbschichten, partielle Bläschenbildung und an manchen Stellen vollkommenen Farbverlust auf. Als Ursache für den Schaden wird ein Feuer im Dachboden des Hauses vermutet, was alleine durch die indirekte Hitzeeinwirkung ungeschützte Bildpartien mehr oder weniger schädigte.Der neue Hausherr entdeckte außer den Schäden eine Signatur: „A.Drescher“.

Mit diesen Hintergrundwissen erhielt ich während meines Vorpraktikums im „Atelier für Restaurierung und Denkmalpflege Gulde“ in Dresden die spannende Aufgabe mehr über den Gemäldefund in sämtlichen Archiven und Bibliotheken zu recherchieren.

Diese Fragen stellte der Hausherr bezüglich seines Fundes und folgende Antworten ergaben sich durch meine Recherche.:

 

Wer war A. Drescher?

Das Künstlerverzeichnis Thieme Becker verweist auf einen Herrn Arno Drescher, der als deutscher Maler, Grafiker, Plakatkünstler und Schriftkünstler bekannt war.

Der 1882 in Auerbach (Vogtland) als Sohn eines Dekorations- und Schriftenmaler geborene Arno Dreschwer wurde im Jahr 1920 Professor an der staatlichen Akademie für Kunstgeschichte in Dresden. In der Freien Sezession Berlin stellte Drescher 1923 zusammen mit Hofer, Liebermann, Munch und Pechstein aus. Danach folgte im Jahr 1926 die Ausstellung in den Räumen des Salons Gerstenberger in Chemnitz mit Größen wie Heckel, Kokoschka, Nolde und Rohlfs.1927 führte er weiterhin die Lehrtätigkeit in Dresden fort und er entwarf im selben Jahr Schriften, wie zum Beispiel „Arabella“ und „Energos“. Arno Drescher folgte 1940 seiner Berufung und wurde an der „Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe“ in Leipzig Direktor. Zu diesem Zeitpunkt begann er mit der jahrelangen Arbeit an dem Heilpflanzen-Atlas „Hortus Sanitatis“. Dabei wurden auch großformatige Tafeln im Auftrag des „Deutschen Hygienemuseums“ angefertigt. Leider ist 1943 ein großer Teil der bisherigen Arbeiten Dreschers durch Kriegseinwirkungen zerstört worden. Mit dem Ende des Krieges 1945 beendete er die Lehrtätigkeit in Leipzig. Er fuhr weiterhin an den Arbeiten für den Heilpflanzen-Atlas „Hortus Sanitatis“ fort und entwarf weitere Schriften. Er vervollkommnete seine eigene freie Maltechnik und außerdem stellte er zahlreiche Male seine Arbeiten in Ost- und Westdeutschland aus. Im Jahr 1960 siedelte die Familie Drescher nach Braunschweig zu Verwandten um. Drescher bekam da wieder ein eigenes Atelier und er führte seine freie künstlerischeTätigkeit weiter. Außerdem unternahm er zahlreiche Studienreisen. Am 1.Juni 1971 starb Arno Drescher mit fast 90 Jahren in Braunschweig.

 

Wie hoch ist er einzuschätzen?

Aus den Quellenstudien konnte geschlussfolgert werden, dass Arno Drescher ein akademischer Künstler mit einer ausgeprägt eigenen Handschrift war, dessen Schaffen bereits zu Lebzeiten eine hohe Wertschätzung erfuhr. Dreschers expressiver Malstil in frühen Werken rückt ihn in die Nähe großer Meister der klassischen Moderne. Ein durchgehendes Qualitätsmerkmal seiner Werke ist die Herausarbeitung der besonderen Charakteristik scheinbar unspektakulärer Sujets durch eine sehr ausdrucksstarke Licht- und Farbregie. Arno Drescher gehört zu den Malern der „Vergessenen Generation“ und wird nun wie andere große Künstler (zum Beispiel Nicolas, Andrae, Pol Cassel, Art.Rudolph, Hofmann Juan u.v.a.m.) dieser Zeit wieder entdeckt und gewürdigt.

 

Wie kann man das Gemälde in das Lebenswerk von A. Drescher einordnen? Was hat Ihm dieses Blumenstillleben bedeutet?

Das im „Landhaus Gohrisch“ gefundene Gemälde ist als qualitativ hochwertig einzustufen. In Farbigkeit und Duktus steht es geradezu exemplarisch für Dreschers unverwechselbare Handschrift. Die monumentale Wirkung des Blumenstraußes erarbeitete er aus der jeweiligen Charakteristik der Pflanzen, die er ausdrucksstark auf das Wesentliche reduziert. Drescher bewegt sich dabei stilistisch zwischen postimpressionistischer Akademiemalerei und Bezugnahme auf den Zweiten Expressionismus in Dresden der Klassischen Moderne.

Es ist besonders bemerkenswert, dass Drescher in seinem letzten Gemälde „Rose auf Silbergrau“ dieses Thema erneut aufgreift, indem er, in seinem letzten Lebensjahr in Braunschweig, aus seiner Erinnerung heraus das Motiv des Gohrischer Gemäldes mit anderen Blumen aber in der gleicher thematischer Anordnung wiederholt. Nach Würdigung der Bezugnahme des letzten Bildes auf die Grundidee des Gohrischer Blumenstückes, rückt das jüngst restaurierte Gemälde an einen zentralen Platz im Gesamtwerk des Künstlers Arno Drescher.

 

Welche Beziehungen liegen zwischen dem Gemälde und dem „Landhaus Gohrisch“?

Ein Bezug Arno Dreschers zum „Landhaus Gohrisch“, als ehemaliges Schullandheim der „Dürerschule“ und später der „Clara-Schumann-Schule“, lässt sich aus der direkten Nachbarschaft der Dürerschule zur Dresdner Kunstgewerbeschule herstel-len. Zu Beginn des 20. Jh. wurden Namen der Schulen als Basis des spezialisierten Schulprogramms genutzt. Die Dürerschule, die den Namen des deutschen Malers, Zeichners und Kupferstechers Albrecht Dürer trug, war im künstlerischen Bereich verstärkt tätig. Außerdem trug die Dürerschule noch den Beinamen „Staatlich Höhere Versuchsschule zu Dresden“, was heute mit einem spezialisierten Gymnasium vergleichbar wäre, in dem verstärkter Kunstunterricht stattfindet.

Vom 11.Oktober 1925 bis zum 04.September 1935 war die Dürerschule der Inhaber des „Schullandheims Gohrisch“. Arno Drescher war von 1920 bis 1940 als Professor an der Kunstgewerbeschule Dresden tätig.

Die sich überlagernden Zeiträume, die künstlerische Ausrichtung beider Schulen und ihre direkte Nachbarschaft (Dürerstraße, Ecke Marschnerstraße) sowie die Auswertung von Berichten über die Persönlichkeit Prof. Arno Dreschers legen die Annahme nahe, dass der Künstler das Gohrischer Gemälde an die Dürerschule verkauft oder verschenkt hat.

 

Als Hauptquelle nutzte ich für meine Recherche „Der Maler und Graphiker Arno Drescher“ aus der Reihe „Arbeitsberichte aus dem Städtischen Museum Braunschweig“ von Renate Partheter; Band 41; 1982.

Außerdem bediente ich mich u.a. folgender Quellen.:

„Gebrauchsgraphik“ (Abbildungen von Plakaten A. Dreschers) Nr. 2; 1925/26; Heft 3

„Dresdner Nachrichten“ („Arno Drescher 60 Jahre“) 1942; Nr.77

„Papier und Druck“ („Personelle Nachrichten – Prof. Drescher, dem Schöpfer der „Arabella, zum 75.Geburtstag“) Nr.6; 1957; Heft 4

„Kulturspiegel der Messestadt Leipzig“ („Arno Drescher zum 75.Geburtstag“) 1957; Heft 3

„Dresdner Monatsblatt“ („Professor Arno Drescher +“) Nr.22; 1971; Folge 8

„Leipziger Neuste Nachrichten“ („Prof. Arno Drescher +“) 1971; 18.Jahrgang; Nr.7